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3.1 Histopathologie des malignen Melanoms
Das maligne Melanom hat die höchste Mortalitätsrate (10-15%) aller Hauttumoren und ist für 1-2% aller krebsverursachten Todesfälle verantwortlich [Armstrong BK 1994]. Die histopathologische Untersuchung des Melanoms ist sehr wichtig, da es die einzige Methode darstellt, die Diagnose zu bestätigen und wichtige Tumorparameter (z.B. Eindringtiefe nach Breslow und Clark Level) zu bestimmen. Diese Parameter sind für die Therapie und Prognose des Patienten entscheidend (s. Kap. 2) [Keefe M 1994] [Buzaid AC 2000].
3.1.1 Histopathologische Kriterien
Das maligne Melanom ist ein melanozytischer Tumor, der generell die folgenden histopathologischen Kriterien besitzt [Maize JC 1987] [Keefe M 1994] [Massi G 2005]:
- Asymmetrische Läsion, die aus atypischen Melanozyten besteht (s. Abb. 3.1a-c). Diese Melanozyten sind als Einzelzellen bzw. in Nestern an der dermoepidermalen Grenze lokalisiert. Die Melanozytennester variieren in Größe und Form und zeigen eine Tendenz zur Konfluenz. Sie gehen meist asymmetrisch über die Haupttumorzellmenge nach lateral hinaus. Die Tumorzellen sind in der gesamten Epidermis vorhanden ("full thickness atypia") und zeigen eine Aufwärtsmigration. Die Tumorzellen haben atypische Nuklei (große, hyperchromatische, pleomorphe Zellkerne mit teils prominenten Nukleoli). Sie wandern oft nach kaudal entlang der dermo-epidermalen Grenze in die Adnexstrukturen.
- Melanome, die die Basalmembranzone überschreiten, zeigen ein invasives Wachstum von Nestern und Melanomzellsträngen in der Dermis und ggf. in der Subkutis. Diese Melanomzellen (s. Abb. 3.2) haben atypische Zellkerne und zeigen keine "Reifung" in Richtung des unteren Endes. Die Tumorzellen zeigen eine gesteigerte Anzahl von Mitosen. Auch können Nekrosen von Einzelzellen oder Zellverbänden vorhanden sein.
- Das Melanom ist gewöhnlich eine nur wenig umschriebene Läsion, von der sich einzelne Melanomzellen an der dermoepidermalen Grenze nach lateral jenseits des letzten melanozytischen Nests (s. Abb. 3.1a) ausdehnen. Nahezu immer findet man Pigmentinkontinenz, und häufig ist ein inflammatorisches Infiltrat unterhalb des Tumors vorhanden. Sowohl die Pigmentinkontinenz als auch das inflammatorische Infiltrat sind im Allgemeinen asymmetrisch verteilt (s. Abb. 3.1b). Gehäuft finden sich auch Zeichen der Sonnenschädigung in der Dermis.
- Die Melanomzellen selbst nehmen eine von zehn möglichen Morphen an: oval, klein und rund, groß und rund, spindelig, dendritisch, polygonal, pagetoid, epitheloid, balloniert und vielkernig. Teilweise finden sich verschiedene Kombinationen dieser Morphen in der gleichen Tumorläsion.
Abb. 3.1: Histologie des Melanoms. Die Läsion ist asymmetrisch, unscharf begrenzt und besteht aus atypischen Melanozyten, die als Einzelzellen oder kleine Nester an der dermo-epidermalen Junktionszone liegen. Ebenfalls finden sich atypische Melanozyten verteilt innerhalb der gesamten Epidermis. Zusätzlich findet sich Pigmentinkontinenz sowie ein inflammatorisches Infiltrat in asymmetrischer Verteilung.
Abb. 3.2: Invasives Melanom. Nester und Stränge von atypischen und nekrotischen Melanomzellen infiltrieren die Dermis. Man findet eine erhöhte Anzahl von Mitosen.
3.1.2 Eindringtiefe nach Breslow und Tumorlevel nach Clark
Die Dicke des Melanoms wurde zuerst von Breslow 1970 als sog. Breslow-Index eingeführt [Breslow A 1970]. Er wird bestimmt von der oberen Granularzellschicht der Epidermis zur tiefsten Tumorzelle (s. Abb. 3.3). Es wird empfohlen, die Tumordicke nicht nur in der Hämatoxylin- und Eosinfärbung (H&E) zu messen, sondern auch in immunhistochemischen Färbungen mit Melan-A, HMB-45 oder MITF (Mikrophthalmie-induzierter Transkriptionsfaktor). Hierdurch kann eine höhere Präzision der Tiefenausdehnung erzielt werden, da in der H&E-Färbung einzelne Melanomzellen leicht übersehen werden können, gerade wenn diese von den Tumorzellnestern entfernt liegen.
Die Bestimmung der Eindringtiefe nach Breslow ist der aussagekräftigste prognostische Faktor [Keefe M 1994] [Buzaid AC Anderson 2000] [MacKie RM 2000].
Der Tumorlevel nach Clark wurde 1969 in die histopathologische Diagnostik des Melanoms eingeführt [Clark WH Jr 1969]. Fünf anatomische Level werden unterschieden (s. Abb. 3.4):
- Level I: Melanomzellen finden sich nur in der Epidermis (Melanoma in situ)
- Level II: Invasion der papillären Dermis durch einzelne Melanomzellen oder kleine Nester
- Level III: Invasion des Stratum papillare
- Level IV: Invasion der retikulären Dermis
- Level V: Invasion des subkutanen Fetts
Abb. 3.3: Messung der Melanomdicke. Die Dicke des Melanoms wird von der Oberfläche des Stratum granulosum der Epidermis bis zur untersten Tumorzelle gemessen (s. Doppelpfeil).
Abb. 3.4: Anatomische Level der Melanominvasion (L Level; gestrichelte Linie: Reticular dermal interface).
Der Tumorlevel hat eine zusätzliche, jedoch geringfügigere prognostische Bedeutung als der Breslow-Index. Zum Beispiel zeigten Patienten mit einem dünnen Melanom, das jedoch den Level IV nach Clark erreicht, in großen Nachbeobachtungsstudien ein schlechteres Überleben als diejenigen Patienten, welche bei gleicher Tumordicke nur eine Invasion des Levels III (Stratum papillare) zeigten [MacKie RM 2000].
Bei Patienten mit Melanoma in situ (Level I) sollte ebenfalls zusätzlich zur Routinefärbung die immunhistochemische Diagnostik mit Melan-A, HMB-45 oder MITFAntikörper durchgeführt werden. Diese ist wichtig, da in einer Studie von 104 Patienten mit In-situ-Melanom gezeigt werden konnte, dass die H&E-Färbung alleine nicht ausreicht, In-situ-Melanome sicher zu diagnostizieren. Statt dessen war eine signifikante Anzahl der untersuchten Tumoren (29%) bereits in die Dermis infiltriert (s. Abb. 3.5) [Megahed M 2002].
Die Ulzeration des Tumors ist der zweitwichtigste prognostische Faktor. Generell zeigt eine Ulzeration einen biologisch aggressiveren Tumor an und geht mit einer schlechteren Prognose einher [Keefe M 1994] [Buzaid AC 2000].
Abb. 3.5: Immunhistochemie eines In-situ-Melanoms. a) HE-Färbung entsprechend eines In-situ-Melanoms; b) ein serieller Schnitt zeigt nach Melan-A-Färbung eine deutliche Reaktivität, die einem invasiven Melanom entspricht.
3.1.3 Klinische Einteilung der wichtigsten Melanomtypen
Im Folgenden sind die vier wesentlichen histopathologischen Typen des Melanoms aufgeführt:
- Superfiziell spreitendes Melanom
- Knotiges (noduläres) Melanom
- Lentigo-maligna-Melanom
- Akral-lentiginöses Melanom
Die ersten drei Subtypen wurden von Clark definiert [Clark WH Jr 1969], während die vierte Entität von Arrington und Mitarbeitern beschrieben wurde [Arrington JH 3rd 1977]. Da die verschiedenen klinischen Subtypen in der Klassifikation keine unabhängige prognostische Bedeutung besitzen, wurde die Sinnhaftigkeit dieser Einteilung infrage gestellt [Weyers W 1999]. Ebenfalls ist die Klassifikation durch die Tatsache limitiert, dass ein substanzieller Anteil von Melanomen in der Klassifizierung nicht einzuordnen ist.
3.1.4 Spezielle histologische Varianten des malignen Melanoms
Auf die Erkennung der speziellen histologischen Varianten des Melanoms sollte besonders geachtet werden, da aus deren Verkennung problematische Konsequenzen entstehen können. Auch bei diesen speziellen histologischen Varianten hängt die Prognose maßgeblich von der Tumordicke ab.
Naevoides Melanom
Das naevoide Melanom wurde zuerst von Schmoeckel beschrieben [Schmoeckel C 1985] und stellt eine Variante des Melanoms dar, das bei der Routinehistologie diagnostische Schwierigkeiten bereitet, da es häufig einem harmlosen Compound-Nävus vom Typ Unna oder Miescher ähnelt [Massi G 2005]. Nur bei höherer Vergrößerung kann die Diagnose des naevoiden Melanoms anhand der folgenden Parameter gestellt werden:
- In der Epidermis findet sich ein In-situ-Melanom oder eine Proliferation lentiginöser atypischer Melanozyten an der dermo-epidermalen Junktionszone.
- In der Dermis finden sich atypische Melanozyten mit einer auffälligen Anzahl von Mitosen, wobei diese insbesondere an den unteren Teilen der Läsion lokalisiert sind. Außerdem fehlt das Ausreifen der Zellen und es finden sich keine Kollagenfasern zwischen den Melanozytennestern und Tumorsträngen. Immunhistochemisch kann die HMB-45-Färbung hilfreich sein, die beim naevoiden Melanom meist im gesamten Tumor positiv ist, während beim Nävus oft nur der oberflächlichste Anteil der Läsion eine Immunreaktivität aufweist [Massi G 2005].
Desmoplastisches Melanom
Das desmoplastische Melanom wurde von Conley und Mitarbeitern 1971 beschrieben [Conley J 1971]. Es stellt eine Melanomvariante dar, die durch eine deutliche Fibrose in Assoziation mit atypischen spindeligen Fibroblasten in der Dermis gekennzeichnet ist, die Ähnlichkeit mit Melanozyten aufweisen [Maize JC 1987] [McCarthy SW 2004] [Busam KJ 2005]. Das desmoplastische Melanom reagiert im Allgemeinen stark und homogen mit S100-Antikörpern, während Melanozytendifferenzierungsantigene (z.B. Tyrosinase, gp100, Melan-A und MITF) meist eine negative oder nur fokal positive Reaktion zeigen [McCarthy SW 2004]. Ein auffälliger Neurotropismus ist ein häufig (in mindestens 30% der Fälle) beobachtetes Charakteristikum, das zu der Bezeichnung "desmoplastisches neurotropes Melanom" geführt hat. Der Neurotropismus manifestiert sich entweder perineural oder intraneural und geht häufig über die desmoplastische Komponente hinaus [Busam KJ 2005]. Daneben zeigen einige Läsionen zu einem gewissen Grad eine neurale Differenzierung, d.h., die Melanozyten sind etwas S-förmig, das Kollagen im Kontakt mit Melanozyten ist häufig fibrillär und es können Strukturen im Sinne nervaler Faszikel beobachtet werden.
Die klinische Präsentation desmoplastischer Melanome ist sehr variabel. Daher wird das desmoplastische Melanom meist vom Histopathologen diagnostiziert. Gewöhnlich zeigt sich das desmoplastische Melanom als verhärtete Plaque in chronisch sonnengeschädigter Haut, häufig der Kopf-Hals-Region [McCarthy SW 2004] [Busam KJ 2005]. Das desmoplastische Melanom geht mit einer höheren Tendenz eines Lokalrezidivs einher und wird daher häufig nachbestrahlt. Eine Metastasierung zu den regionalen Lymphknoten ist dagegen seltener.
Ballonzellartiges Melanom
Das ballonzellartige ("balloon cell") Melanom wurde 1970 von Gardner und Vazquez beschrieben [Gardner WA Jr 1970]. Als histopathologisches Charakteristikum finden sich hier ballonierte Melanozyten (s. Abb. 3.6) [Megahed M 1994]. Die ballonierten Melanozyten haben reichlich eosinophiles oder klares Zytoplasma und zeigen eine feine Granulation bzw. Vakuolisierung. Die Ballonzellen sind S100- und HMB-45-positiv. Ultrastrukturell finden sich bei ballonierten Melanozyten degenerierte Melanosomen sowie eine Lipiddeposition.
Spitzoides Melanom
Das spitzoide Melanom besteht vorwiegend aus großen epitheloiden oder polygonalen Melanozyten und ähnelt dem Spitz-Nävus (s. Abb. 3.7) [Maize JC 1987] [Massi G 2005] [McKee PH 2005]. Die histologische Unterscheidung zwischen einem spitzoiden Melanom und einem Spitz-Nävus kann auch für den erfahrenen Dermatohistopathologen sehr schwierig sein. Die Asymmetrie und die schlechte Abgrenzung der Läsion mit Anwesenheit von Melanomzellen, verstreut in der Epidermis sowie eine gesteigerte Zahl von Mitosen, vor allem in den unteren Anteilen des Tumors, favorisieren die Diagnose des Melanoms.
Abb. 3.6: Ballonzellartiges Melanom. Es finden sich atypische ballonierte Melanozyten in der Epidermis, der dermo-epidermalen Junktionszone und in der Dermis.
Abb. 3.7: Spitzoides Melanom. Atypische Melanozyten finden sich als Einzelzellen und in Nestern an der dermo-epidermalen Grenze. Die Nester variieren in Größe und Morphe und sind nicht äquidistant. Atypische Melanozyten sind ebenfalls in der gesamten Epidermis zu finden (Full thickness atypia). In der Dermis finden sich Nester und Stränge atypischer spitzoider Melanozyten.
Polypoides Melanom
Das polypoide Melanom ist ein exophytisch wachsender Tumor, der zuerst von Vogler und Mitarbeitern beschrieben wurde [Vogler WR 1958]. Klinisch wird das polypoide Melanom häufig aufgrund des amelanotischen Charakters mit dem Granuloma pyogenicum verwechselt [Megahed M 1993]. Histologisch findet sich ein meist erodierter, gestielter Tumor, wobei die Tumormassen in den gestielten exophytischen Arealen vorhanden sind (s. Abb. 3.8).
Abb. 3.8: Polypoides Melanom, ein gestielter, erodierter, exophytisch wachsender Tumor.
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