Bendamustin behauptet seine Stellung in der Hämatologie

Autor/en: Dr. Petra Ortner, München
Letzte Änderung: 02.11.2015

Aktivität bei indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen, CLL und
multiplem Myelom bestätigt

Die Bedeutung von Bendamustin als effektiver und gut verträglicher Chemotherapiepartner bestätigte sich auch auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Basel. Langzeitdaten zweier Studien der StiL nach 7 bzw. 8 Jahren Nachbeobachtungszeit konnten die überlegene Effektivität und Verträglichkeit der Immunchemotherapie mit Bendamustin und Rituximab (B-R) sowohl in der Primärtherapie von Patienten mit bisher unbehandelten indolenten Lymphomen und bei älteren Patienten mit Mantelzell-Lymphom als auch in der Therapie rezidivierter indolenter, follikulärer oder Mantelzell-Lymphome bestätigen. Auch im klinischen Alltag der Behandlung der oft älteren und komorbiden Patienten mit CLL bewährt sich B-R, wie aktuelle Registerdaten zeigen. Bei Patienten mit Leichtkettenmyelom führte eine Induktionschemotherapie mit Bendamustin, Prednison und Bortezomib sehr schnell zu hohen Ansprechraten.

Indolente Lymphome: Neue Langzeitdaten mit B-R

Die Studiengruppe indolente Lymphome (StiL) stellte beim DGHO-Kongress Langzeitdaten der NHL1-2003-Studie nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 87 Monaten vor [Rummel M 2015a]. Wie bereits nach einem medianen Follow Up von 45 Monaten gezeigt [Rummel M 2013], konsolidierte sich die signifikante Überlegenheit der Erstlinientherapien mit Bendamustin und Rituximab (B-R) gegenüber CHOP-R (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison plus Rituximab) bei Patienten mit indolenten Lymphomen oder Mantelzell-Lymphomen (MCL) hinsichtlich Effektivität und Verträglichkeit. Auswertbar waren die Daten von 514 Patienten, die randomisiert entweder B-R (n=261) oder CHOP-R (n=253) erhalten hatten. Das mediane Alter der Patienten lag bei 64 Jahren, die Patientencharakteristika waren zwischen den Therapiearmen gut ausgewogen. Von den Patienten unter B-R benötigten mit 36% (n=93) weniger Patienten eine Second-line-Therapie aufgrund einer Krankheitsprogression als unter CHOP-R (55%, n=140). Als Salvage-Therapie bei progredienten mit CHOP-R behandelten Patienten wurde in 49% der Fälle B-R gegeben. Transformationen zu aggressiveren Lymphomen traten bei weniger als 2% aller Patienten auf. Sekundärmalignome traten in beiden Studienarmen ähnlich häufig auf, in beiden Armen kam es zu einer hämatologischen sekundären Neoplasie.

B-R zu favorisierende Firstline-Therapie

Die Zeit bis zur nächsten Therapie (TTNT, time to next treatment) war unter B-R signifikant länger als unter CHOP-R (HR 0,53, 95%-KI 0,40-0,68; p<0,001). Die mediane TTNT betrug unter CHOP-R 42,3 Monate, unter B-R war sie noch nicht erreicht. Bei Frauen war die mediane TTNT signifikant länger als bei männlichen Patienten (noch nicht erreicht vs. 52,2 Monate; p=0,006). Auch bei den Komplettansprechraten gab es unabhängig von der Therapie signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während nur 28,6% der 272 Männer ein komplettes Ansprechen erzielten, waren es 42,1% der 242 Frauen, obwohl diese im Median sogar ein Jahr älter waren (0,0016). Das Erreichen einer kompletten Remission war mit einem signifikant längeren Gesamtüberleben assoziiert. So lag die geschätzte 10-Jahres-Überlebensrate bei 72,6% für die Patienten, die komplett auf die Therapie angesprochen hatten, gegenüber 63,6% bei Patienten, die nur eine partielle Remission erreicht hatten (p=0,006). Das Gesamtüberleben unterschied sich zwischen den zwei Therapiearmen nicht signifikant, bei den Patienten mit indolenten Lymphomen wurde nach 87 Monaten Nachbeobachtung jedoch ein Trend zu einem längeren Überleben im B-R-Arm beobachtet (p=0,0790). Die geschätzte 10-Jahres-Überlebensrate betrug bei den Patienten mit indolenten Lymphomen 71,9% bei den 43 mit B-R behandelten Patienten gegenüber 61,5% der 58 Patienten unter CHOP-R (p=0,076). Bei den 95 Patienten mit MCL gab es keinen solchen Unterschied. "Die mindestens gleiche Effektivität bei besserer Verträglichkeit lässt B-R als zu bevorzugende Erstlinientherapie bei Patienten mit follikulären und indolenten Lymphomen sowie Mantelzell-Lymphomen erscheinen", resümierte Prof. Ulrich Kaiser, Hildesheim, der die Studiendaten auf dem DGHO vorstellte.

Rezidivtherapie: Überlegene Effektivität von B-R

Auch zur StiL NHL2-2003-Studie, die B-R mit der Kombination aus Fludarabin plus Rituximab (F-R) bei Patienten mit rezidiviertem follikulären Lymphom (FL), anderen indolenten Lymphomen oder MCL verglich, wurden die Langzeitdaten nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 96 Monaten vorgestellt [Rummel M 2015b]. 219 Patienten mit einem medianen Alter von 68 Jahren waren auswertbar (114 B-R, 105 F-R). Weder eine prophylaktische Antibiose noch die Gabe von G-CSF war empfohlen, bei schweren Granulozytopenien konnte G-CSF eingesetzt werden. Primärer Endpunkt war das PFS. Im Median waren die Patienten mit einer Vortherapie behandelt worden. 75,2% der mit B-R behandelten Patienten konnten 6 Zyklen der Studienmedikation erhalten, im F-R-Arm waren es 53,4% Die Gesamtansprechrate war unter B-R signifikant höher als unter F-R (83,5% vs. 52,5%, p<0,0001), ebenso die Rate an kompletten Remissionen (38,5% vs. 16,2%; p=0,0004). Signifikant länger war auch das mediane PFS unter B-R (34 vs. 12 Monate; HR 0,54, 95%-KI 0,38-0,72; p<0,0001), was sich in einem verlängerten medianen Gesamtüberleben im B-R-Arm nieder-schlug (110 vs. 49 Monate, HR 0,64, 95% KI 0,45-0,91; p=0,0125). Bei den mit B-R behan-delten Patienten kam es zu 55 Todesfällen, im F-R-Arm verstarben 71 Patienten. Sowohl die Nebenwirkungen insgesamt als auch das Auftreten von schweren Nebenwirkungen war in beiden Therapiearmen vergleichbar. "Die Verträglichkeit der beiden Regime war vergleichbar, bei der Effektivität war B-R deutlich überlegen", fasst Kaiser zusammen.

Registerdaten zur CLL: B-R ist effektive Primärtherapie im klinischen Alltag

Seit 2008 dokumentieren 61 deutsche hämatologische--onkologische Praxen in der Projektgruppe Internistische Onkologie (PIO) Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) in dem Register ONCOReg. Bisher wurden 787 Patienten erfasst, die eine Behandlung mit Bendamustin erhielten, 544 von ihnen als Erstlinientherapie. Dr. Hartmut Linde, Potsdam, präsentierte eine Analyse der Daten der 418 Patienten, die mit einer Primärtherapie mit Bendamustin und Rituximab behandelt wurden [Linde H 2015]. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug zum Zeitpunkt der Analyse 27,8 Monate. Das mediane Alter lag bei 72 Jahren, 64% der Patienten waren Männer. Die meisten Patienten hatten einen ECOG Leistungsstatus von 1 und ein Binet Stadium B. Zwischen der Diagnose und der ersten Therapie vergingen im Median 23 Monate. 31% der Patienten hatten keine Begleiterkrankungen, die häufigste Komorbidität war Hypertonie (38%), fast 20% waren Diabetiker. Im Median wurden 6 Zyklen Bendamustin verabreicht, die mediane kumulative Gesamtdosis lag bei 845 mg/m². "Bei Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand und bei älteren Patienten über 70 Jahren wurde die Dosis im Verlauf der Therapie reduziert, oder die Behandlung wurde vornherein mit einer geringeren Dosierung durchgeführt", erklärte Linde.

B-R auch bei reduzierter Dosierung hoch wirksam

Die Gesamtansprechrate lag bei 89%, das mediane progressionsfreie Überleben bei 46 Monaten. "Interessanterweise war das mediane PFS bei den Patientengruppen, die die Immunchemotherapie in einer reduzierten Dosierung erhalten hatten, nicht verkürzt gegenüber jüngeren oder fitteren Patienten oder dem Gesamtkollektiv. Eine Dosisreduktion bei diesen Patienten ist bei der Behandlung mit B-R also keine schlechte Option", kommentierte Linde. Das mediane PFS betrug bei den über 70-Jährigen 47 Monate gegenüber 46 Monaten bei den jüngeren Patienten. Während bei den 106 fitten Patienten ein medianes PFS von 48 Monaten ermittelt wurde, lag dies bei den 106 Patienten mit einem ECOG Leistungsstatus von 1 bei 45 Monaten und bei den 58 Patienten mit einem ECOG Status von 2 sogar bei 52 Monaten. Das mediane Gesamtüberleben wurde noch nicht erreicht. Die 3-Jahresüberlebensrate liegt bei 84%. Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren Leuko- und Thrombopenien. Unter schwerer Übelkeit litten nur 1,9% der Patienten, höhergradige Alopezie trat überhaupt nicht auf. Ansprechraten und PFS-Daten aus Tumorregistern wie dem Tumorregister Lymphatische Neoplasien (TLN) und aus klinischen Studien wie der CLL2M oder der CLL10 Studie würden durch die Registerdaten der PIO bestätigt, so Linde. "Das Tumorregister spiegelt den Therapiealltag der meist älteren und häufig komorbiden Patienten wider, die in Studien mit neueren Substanzen übrigens keine besseren Ansprechraten oder PFS-Zeiten erzielen als mit B-R. Unser Register zeigt auch die hohe Qualität der Versorgung in onkologischen Schwerpunktpraxen", resümierte Linde.

Hocheffektive Erstlinientherapie bei Patienten mit Leichtkettenmyelom

Bei 15-20% der Patienten mit multiplem Myelom (MM) liegt ein Leichtkettenmyelom vor. Eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion ist bei diesem Patienten extrem häufig, wobei ca. ein Drittel der Patienten mit Leichtkettenmyelom eine stark eingeschränkte Nierenfunktion aufweist, berichtete Dr. Hans Salwender, Hamburg, bei einer Veranstaltung der Mundipharma GmbH. Als effektive Behandlung für Patienten mit unbehandeltem Leichtkettenmyelom hat sich ein Kombinationsregime aus Bendamustin, Prednison und dem Proteasominhibitor Bortezomib (BPV) in einer Studie der Ostdeutschen Studiengruppe Hämatologie/Onkologie (OSHO) erwiesen [Pönisch W 2014]. Eine Subgruppenanalyse wurde beim DGHO von Dr. Wolfram Pönisch präsentiert [Pönisch W 2015]. Zwischen September 2009 und März 2014 erhielten 20 Patienten mit neu diagnostiziertem Leichtkettenmyelom alle 3 Wochen 60 mg/m² Bendamustin an den Tagen 1 und 2, 100 mg Prednison an den Tagen 1, 2, 4, 8 und 11 und 1,3 mg/m² Bortezomib an den Tagen 1, 4, 8 und 11 bis zum maximalen Ansprechen bzw. Krankheitsprogress. Mehr als die Hälfte der Patienten hatten eine stark eingeschränkte Nierenfunktion oder waren Dialysepatienten. Das Ansprechen erfolgte mit der Induktionstherapie mit BPV sehr schnell, was für Patienten mit schweren Niereneinschränkungen wichtig ist. "Bemerkenswert ist, dass nach zwei Zyklen bereits 95% der Patienten mindestens eine partielle Remission hatten, und 26% dieser Patienten eine sehr gute partielle Remission", erläuterte Salwender. Bei zwei Dritteln der Patienten verbesserte sich die Nierenfunktion. Im Allgemeinen war die Therapie gut verträglich, bei den Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion traten jedoch deutlich mehr Nebenwirkungen auf, bei 50% kam es zu Infektionen. Vor dem Hintergrund, dass etwa 40% der Patienten einen ECOG-Status von 3 oder 4 hatten sei dies jedoch nicht verwunderlich, kommentierte Salwender.

 

Quellen: Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie vom 9.- 13. Oktober 2015 in Basel und DGHO-Wrap-up der Mundipharma GmbH "Highlights des DGHO" am Sonntag, 11. Oktober 2015

Ergänzende Literaturreferenz/en: