Onkologie, Hämatologie - Daten und Informationen
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19 Palliativmedizinische Aspekte: Atemnot

Autor/en: M. Karthaus, H. Pohlmann
Letzte Änderung: 18.03.2013

Die Palliation respiratorischer Symptome stellt ein typisches palliativmedizinisches Problem dar, insbesondere in der Terminalphase. Symptome von Husten, Dyspnoe und terminalem Rasseln sind für den Patienten, aber auch für seine Angehörigen stark belastend. Daher ist eine optimale Symptomkontrolle wichtig. Es gibt bisher kein einheitliches, allgemein akzeptiertes therapeutisches Konzept, das evidenzbasierte Kriterien erfüllt. Daher muss die Behandlung individuell dem einzelnen Patienten angepasst werden.

Dyspnoe

Dyspnoe ist die subjektiv unangenehme Wahrnehmung der eigenen Atmung. Die Prävalenz von Dyspnoe bei Tumorpatienten reicht von 10% bis 80%. Der Grad der Dyspnoe wird vor allem durch psychische, aber auch soziale und spirituelle Faktoren beeinflusst. In den letzten Stunden des Lebens sind nach eigener Erfahrung mehr als 80% der Tumorpatienten von Dyspnoesymptomen betroffen. Neben der Tumorerkrankung können Begleiterkrankungen für die Auslösung von Dyspnoe von Bedeutung sein, so eine vorbestehende Herz- und Lungenerkrankung, ein bestehender Nikotinabusus, aber auch eine stattgefundene tumorspezifische Therapie (z.B. Strahlentherapie im Bereich des Mediastinums und der Lunge).

Hinsichtlich der Ursachen sind reversible von irreversiblen zu unterscheiden. Die Ursachen der Dyspnoe können grob in obstruktive, restriktive, kardiale, neuromuskuläre und psychogene Ätiologien eingeteilt werden. Bei Krebspatienten finden sich häufig Lungentumoren oder -metastasen, Pleuraergüsse, eine Lymphangiosis carcinomatosa, Obstruktionen der Atemwege, Pneumonien, aber auch ein Aszites oder kardiale Ursachen oder Kombinationen mehrerer Ursachen. Palliative interventionelle Maßnahmen zur Behandlung tumorbedingter Stenosen verlegter Atemwege können in Einzelfällen mittels Implantation von Stents oder Koagulation durch Laser zur Anwendung kommen und symptomlindernd wirken.

Handelt es sich um eine potenziell reversible Ursache, sollte geprüft werden, ob eine ursächliche Therapie möglich ist. Bei Bronchialtumoren sollte eine tumorspezifische Behandlung immer diskutiert, beziehungsweise ausgeschlossen werden. Bei nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen, die nach einer Primärbehandlung progredient waren, konnte in den vergangenen beiden Jahren mit Docetaxel, Pemetrexet und Erlotinib belegt werden, dass im Vergleich zu einer ausschließlichen nicht tumortherapeutischen Symptomkontrolle eine Verbesserung von Husten und Dyspnoe zu erzielen ist. Sind tumortherapeutische Behandlungen sicher ausgeschöpft, erfolgt eine symptomorientierte, meist medikamentöse Behandlung.

Bei der palliativen medikamentösen Therapie der Dyspnoe sind die entscheidenden Medikamente Opioide und Benzodiazepine. Die Gabe von Sauerstoff spielt im Alltag, wenn auch nicht unumstritten, eine gewisse Rolle. In den letzten Jahren wurden Anstrengungen unternommen, die Bedeutung der oben genannten Medikamente durch weitere Studien und retrospektive Analysen der vorhandenen, meist kleinen Studien zu untermauern und abzusichern. Dabei gelang es unter anderem der Cochrane-Metaanalyse, den Nutzen von Opioiden zu belegen und zu zeigen, dass die Angst vor Atemdepression durch Opioide - bei fachgerechter Verwendung - unbegründet ist.

Der Nutzen der Sauerstoff-Gabe bei nicht hypoxischen Patienten mit Atemnot bleibt für die Palliation der Dyspnoe weiter unbelegt. Eine 2010 publizierte, randomisierte Studie konnte keine neuen Erkenntnisse zeigen. Die Erfahrung im Alltag zeigt aber häufig einen ausgeprägten (psychischen) Effekt der Sauerstoffgabe. Auch ist die Erholungszeit nach Belastungen mit Sauerstoff-Gabe möglicherweise kürzer.

Bronchospasmolytika und Atemanaleptika sind in der palliativen Therapie von Dyspnoe wenig gebräuchlich und erscheinen nur bei nachgewiesener reversibler bronchialer Obstruktion sinnvoll. β-Adrenergika (inhalativ, s.c., i.v., p.o.), Anticholinergika (inhalativ, s.c., i.v.) und Methylxanthine (s.c., i.v., p.o. ) können zur Bronchodilatation eingesetzt werden. Nebenwirkungen sind zu beachten (Tachykardie, Mundtrockenheit). Methylxanthinen wird ein zentraler Dyspnoe-mindernder Effekt zugeschrieben, dem stehen jedoch eine geringe therapeutische Breite und ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil entgegen.

Kortikosteroide weisen eine antiödematöse Wirkung auf das respiratorische System auf, die bei hoch dosierter Gabe p.o./i.v. rasch eintritt. Kortikosteroide haben ferner antiinflammatorische und antiobstruktive Wirkungen und können in der palliativmedizinischen Versorgung bei manchen Formen von Dyspnoe (z.B. Lymphangiosis der Lunge) versucht werden.

Benzodiazepine und Neuroleptika (Chlorpromazin oder Promethazin) beeinflussen den Atemantrieb. Benzodiazepine haben dabei eine stärkere atemdepressive Wirkung als die meisten Opioide. Benzodiazepine können die Wirkung von Opioiden verstärken. Durch die anxiolytische Wirkung der Benzodiazepine kann deren Einsatz bei Patienten mit akuter Dyspnoe sinnvoll sein (z.B. Lorazepam, 0,5-2,5 mg s.l./p.o.).

Opioide wirken im CO2-sensitiven Atemzentrum, Morphine zudem über eine zentrale Sympathikolyse. Ferner weisen sie sedierende Wirkungen auf kognitive Funktionen auf, was die Empfindungen von Dyspnoe reduziert. Tumorpatienten, die an intermittierender Dyspnoe im Zusammenhang mit körperlicher Belastung leiden, profitieren häufig von einer prophylaktischen oder bedarfsweisen Applikation schnell wirkender Opioide. Opioide entwickeln bei der Behandlung von Dyspnoe eine rasche Tachyphylaxie, so dass gegebenenfalls Dosisanpassungen notwendig sind oder aber ergänzend Benzodiazepine eingesetzt werden sollten, um die Tachyphylaxie zu reduzieren (siehe Tab. 2).

Tab. 2: Medikamentöse Therapie der Dyspnoe in der Palliativmedizin

Akute Atemnot ohne bestehende Opioidtherapie

Morphin, 2,5-5 mg s.c.; Morphinsulfat, 5-15 mg p.o., Wiederholung bei Bedarf (Ziel: Atemfrequenz von =/< 15-20/min)

Benzodiazepine: Midazolam, 2,5-10 mg s.c./i.v.; Lorazepam, 0,5-2 mg p.o.

Phenothiazine, z.B. Chlorpromazin, 10-15 mg p.o/i.v.

Dyspnoe unter bestehender Opioidtherapie

Bedarfsmedikation mit Dosissteigerung um 25-50%, gegebenenfalls Wiederholung

Lorazepam, 1-2 mg s.l./p.o.; Midazolam, 2,5-5 mg s.l./p.o./i.v.; Chlorpromazin, 25 mg p.o.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen: Physiotherapie, insbesondere die spezielle entspannende Atemtherapie, wird von den meisten Patienten als angenehm und hilfreich erlebt und sollte - wenn verfügbar - ins multimodale und multiprofessionelle Therapiekonzept integriert werden.

Husten

Eine Prävalenz bei Krebspatienten von >80% wird beobachtet. Tumorbedingte Risikofaktoren sind Bronchialbefall, mediastinale Tumorlokalisation, Pleuraerguss und/oder Peritonealkarzinose, peribronchiale Fisteln, Perikarderguss und obere Einflussstauung. Ferner müssen nicht-krebsbedingte Risikofaktoren berücksichtigt werden, wie bronchiale Obstruktion, Bronchiektasen, Herzinsuffizienz, Infektionen, gastroösophagealer Reflux und Lungenembolien.

Die Therapie von Husten in der Palliativmedizin sollte die zugrunde liegende Ursache berücksichtigen. Eventuell kann eine Reduktion der Schleimproduktion durch Anticholinergika, wie z.B. Scopolamin oder Butylscopolamin, erreicht werden, was die anticholinergen Nebenwirkungen anderer Medikamente, wie z.B. Amitriptylin, ausgleicht. Bei bronchialer Hypersekretion können Bronchosekretolytika das Abhusten erleichtern. Sie wirken durch Verminderung der Viskosität des Bronchialschleims, besitzen allerdings keine antitussiven Wirkungen. Zentral wirken Opioide, von denen Oxycodon, Codein, Dihydrocodein, Hydrocodon, Morphin und Levomethadon mit zunehmender antitussiver Potenz eingesetzt werden können. Die antitussive Wirksamkeit nicht retardierter Opioide mit kurzer Halbwertszeit entspricht der retardierter Morphinpräparate. An zentral wirksamen Nichtopioiden können Noscapin und Clobutinol eingesetzt werden. In Einzelfällen sind bei Irritationen im Bereich des Pharynx Lokalanästhetika, z.B. als Lutschtabletten oder inhalativ (Lidocain oder Bupivacain), erfolgreich zur Symptomkontrolle eingesetzt worden.

Eine kurz skizzierte Behandlung des Symptoms "Husten" ist in Tab. 3 wiedergegeben.

Tab. 3: Behandlung von Husten in der Palliativmedizin

Nicht-medikamentös

Medikamentös:

  • Sekretolytika
  • Clobutinol (Silomat), 3-mal 40-80 mg
  • Codein (Bronchicum), 2- bis 4-mal 30-50 mg
  • Dihydrocodein (Paracodin), 1- bis 3-mal 10-30 mg
  • Hydrocodon (Dicodid), 2- bis 3-mal 5-10 mg p.o. oder 2- bis 3-mal 7,5-1,5 mg s.c.
  • Bronchodilatatoren
  • Kortikosteroide
  • (Lokalanästhetika als Spray)

Stufenplan:

  • Saccharosesirup
  • Physiotherapie
  • Opioide
  • Sonstiges

Hämoptysen

Bei Patienten mit Bronchialkarzinom wird eine Prävalenz von Hämoptysen von bis zu 70% beschrieben. Meist werden nur leichte oder mittelgradige Hämoptysen beobachtet, die keiner aktiven Intervention bedürfen. Sollten bei terminaler Krebserkrankung massive Hämoptysen (Expektoration von >200 ml Blut innerhalb von 24 Stunden) auftreten, kann mit schnell wirksamem Morphin (s.c. oder i.v.) bis zur suffizienten antidyspnoeischen, beziehungsweise antitussiven Wirksamkeit titriert werden (gegebenenfalls ergänzt durch anxiolytische Benzodiazepine).

Terminales Rasseln

In der Terminalphase werden die Patienten zunehmend schwächer. Sie sind nicht mehr in der Lage, Schleim abzuhusten. Dadurch entsteht ein Rasselgeräusch bei der Atmung, das sowohl bei der In- als auch bei der Exspiration beobachtet wird. Die Patienten sind sich dieses Geräusches überwiegend nicht bewusst. Allerdings beunruhigt das terminale Rasseln besonders die Angehörigen. Die symptomatische Therapie sollte durch Lagerung eine Selbstdrainage des Sekrets fördern. Falls eine parenterale Flüssigkeitssubstitution erfolgt, ist diese auf ein Minimum zu reduzieren (=/< 500 ml/Tag s.c./i.v.), da ansonsten eine Zunahme des terminalen Rasselns auftreten kann (Lungenödem). Zur medikamentösen Therapie können ergänzend Butylscopolamin oder Glycopyrronium eingesetzt werden, die keine zentralen Nebenwirkungen besitzen (siehe Tab. 4).

Tab. 4: Therapie des terminalen Rasselns

Medikament

Dosis (mg)

Applikation

Applikationsintervall (Stunden)

Butylscopolamin

20

s.c./i.v.

8-12

Glycopyrorronium

0,2

s.c.

6

Scopolamin

0,25-0,5

s.c.

4-8

0,9-1,8

transdermal

72

Atropin

0,5

s.c./i.v.

8-12


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Nach wie vor online verfügbar: die noch nicht aktualisierten Kapitel des Buches "Supportiv- therapie bei malignen Erkrank- ungen", bei ONKODIN publiziert in Kooperation mit "Deutscher Ärzte-Verlag", 2006. [Mehr]
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